Evangelium für die ganze Schöpfung - Wie weit reicht unser Auftrag?

"Erwähle das Leben!" 5. Mose 30,19

Bis heute wird Gottes Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, manchmal auch in der Kirche hinten angestellt. Es sei jetzt viel wichtiger, Diakonie zu betreiben. Es sei jetzt viel wichtiger, Menschen zu Jesus zu führen und zu taufen. Es sei jetzt wichtiger in die christliche Gemeinschaft zu investieren. Das alles sind elementare Kernaufgaben der Kirche. Muss da nicht die Schöpfung hinten anstehen?

 

Dabei ist es Gottes erster Auftrag an den Menschen. Ganz am Anfang setzte Gott ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre.  Gott hat den Menschen also dazu beauftragt, Gottes gute Schöpfung zu gebrauchen ohne sie zu verbrauchen.

 

Doch gilt das wirklich noch für uns? Kaum im Garten Eden angekommen wird doch im ersten Buch Mose vom Sündenfall und der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies berichtet.

 

„Wir leben heute nicht mehr im Paradies!“ – Wie oft habe ich diesen Einwand schon gehört, wenn es darum ging, innerhalb der Kirche den Schöpfungsauftrag wieder ernster zu nehmen.

 

Aber sollen wir deshalb auch unseren Nächsten nicht mehr lieben? Wir leben schließlich nicht mehr im Paradies. Da könnte man das doch gleich bleiben lassen.

 

Nein, Beides sind Grundpfeiler eines in der Bibel gegründeten Lebensstiles. Der Schöpfungsauftrag steht am Anfang der Tora, der 5. Bücher Mose, die Nächstenliebe in der Mitte der Tora. Und beide Aufträge werden von Jesus wieder aufgenommen und schließlich sogar von ihm zusammengebracht.

Zu allen Zeiten haben sich von Gott beauftragte Menschen auf den Weg gemacht, das Erbe der Schöpfung Gottes zu bewahren und den Glauben an Gott, unseren Schöpfer, hoch zu halten:

 

Noah rettete nicht nur seine eigene Haut und die seiner Familie, als die Menschheit die Folgen ihres gottfernen Lebens zu spüren bekam. Er baute auch eine Arche, in der die Vielfalt der Schöpfung ihren Platz fand.

Wo findet sich die Artenvielfalt in Ihrem Garten oder in Ihrer Gemeinde wieder? Es braucht nicht viel, und Ihre Terasse oder Garten wird zu einem schönen gemeinsamen Lebensraum für Wildbienen, Schmetterlinge, Igel, Vögel und Menschen.

 

Ebenso setzte sich auch Elia, der große Prophet des ersten Testaments, für die Schöpfung und Gott den Schöpfer ein. König Ahab war ein Hochzeitsbündnis mit den Phöniziern eingegangen. Die Phönizier glaubten nicht an Gott, den Schöpfer, sondern an den Wetter- und Fruchtbarkeitsgott Baal.

 

Hemmungslos schlugen sie die Wälder im östlichen Mittelmeerraum kahl, denn Baal würde ja für Ersatz sorgen. - Er tat es nicht, stattdessen wurde das Klima im Mittelmeerraum erstmals vom Menschen nachhaltig beeinflusst. Es kam zu einer langjährigen Trockenphase, die Elia dem Ahab wegen seines neuen Irrglaubens an Baal ankündigen sollte.

 

Seriöse Propheten des von Menschen verursachten Klimawandels treten heute auch noch auf. Und noch immer gilt, dass es auch eine Sache des Glaubens ist, wie wir mit unserer Schöpfung umgehen. Die Neuweiler Kirchengemeinde, aus der ich komme ist seit 2009 klimaneutral – eine Glaubensentscheidung. Wie sollten wir auch unseren Schwestern und Brüdern in der einen Welt, die nur mit einem Bruchteil unseres Treibhausgasausstoßes auskommen, aber heute schon unter dem Klimawandel leiden, erklären, wieso wir als Kirche oder privat weiterhin so verschwenderisch mit unseren gemeinsamen Ressourcen und mit fossiler Energie umgehen?

 

Ohne den Glauben an Gott, den Schöpfer, hatte Ahab auch keine Hemmungen, tausende Elefanten für seinen Palast aus Elfenbein abschlachten zu lassen. Viele Forscher wollten den Elfenbeinturm ins Reich der Phantasie verlagern, bis Archäologen in Samaria tatsächlich die fein verzierten Elfenbein-Tafeln und den Elfenbeinthron des Palastes ausgruben. Doch Baal gab den Mittelmeerelefanten das Leben nicht wieder zurück.

 

Während Elia dem König vor Augen führte, was Baal alles nicht kann, und dass der Glaube an ihn das Volk und die Schöpfung ruiniert, kümmerte sich der Schöpfer-Gott Israels liebevoll um Elia und versorgte ihn mithilfe seiner Geschöpfe, der Raben, mit Lebensmitteln.

 

Nein, wir leben heute nicht im Paradies, aber wo Gott der Schöpfer auf den Plan tritt, da wird die Schöpfung wieder heil: So beten wir es im 96. Psalm:  Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich, das Meer brause und was darinnen ist; das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist; es sollen jauchzen alle Bäume im Walde vor dem HERRN; denn er kommt…

 

Als dann der Herr selbst kommt, Gottes Sohn, und sich von Johannes dem Täufer taufen lässt, der übrigens auch wie Elia im Einklang mit der Schöpfung in der Wüste lebt, heißt es über Jesus Christus:


„und er war in der Wüste vierzig Tage und wurde versucht von dem Satan und war bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.“

 

Die Gemeinschaft mit den wilden Tieren heißt, dass Jesus die gefallene Schöpfung wieder zurechtbringt. Er stellt die ursprüngliche Schöpfungsgemeinschaft von Mensch und Tier wieder her, so wie wir es vor einigen Wochen im Weihnachtslied gesungen haben: Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis, der Cherub steht nicht mehr davor. Gott sei Lob ehr und Preis.

 

Am Ende des Markusevangeliums sendet Jesus seine Jünger deshalb nicht nur zu den Menschen überall auf der Welt: Er verleiht uns einen ganz besonderen Auftrag: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.

„Predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung. – Nicht nur den Menschen, sondern allen Kreaturen und ihrem Lebensraum.“


Bei Jesus fallen Wort und Tat in eins. Wem er Heilung verkündet, den heilt er auch. Wem er Sündenvergebung predigt, dem vergibt er auch. Wem er die Augen öffnet, wird auch sehend. Und wer mit Jesus in Berührung kommt, wird nicht nur äußerlich heil, sondern auch im Herzen.


Wenn er uns nun dazu auffordert, das Evangelium der ganzen Schöpfung zu verkünden, dann begleitet er uns mit seiner Liebe, die in der Tat konkret wird. Nicht nur für unsere Nächsten, sondern auch für die Schöpfung, die uns umgibt.

Was wir als Christen glauben, ist eine ganzheitliche Angelegenheit. Der Glaube ist nicht nur etwas für die Seele, sondern für den ganzen Menschen. Der auferstandene Jesus legt ein Zeugnis für unsere ganzheitliche Hoffnung ab. Das Grab ist leer. Es gibt nicht nur für den unkörperlichen Rest unseres Menschenlebens Hoffnung, sondern für uns als ganze Menschen. Und das schließt auch unsere Schöpfung mit ein, in der wir leben:

 

Wir warten als Christen nicht darauf, dass einst unsere Seelen in den Himmel kommen, sondern darauf, dass - wie am Ende der Bibel vom neuen Jerusalem berichtet wird – der Himmel, und damit Gott auf die Erde kommt und unsere Erde und ihre Bewohner heilt und erneuert.


Wir warten als Christen nicht auf unsere Himmelfahrt, sondern darauf, dass Jesus wiederkommt, um sein Reich hier unter uns sichtbar in Kraft zu setzen.

Und bis dahin sind wir berufen, heute schon unsere neue Existenz im Glauben hier auf Erden zu leben. Nicht nur Jesus wartet darauf, nicht nur unsere Nächsten brauchen uns im Hier und Jetzt. Selbst die vom Aus bedrohte Schöpfung wartet darauf, dass die Kinder Gottes endlich offenbar werden, schreibt Paulus im Römerbrief.

 

Deshalb sind ein missionarischer, ein diakonischer, ein entwicklungspolitischer oder ein ökologischer Lebenstil für Christen keine Alternativen. Denn so ganzheitlich wie Jesus auferstanden ist und auch uns mit ihm auferstehen lässt, so ganzheitlich hat er begonnen sein Reich in dieser Welt aufzurichten. Er rettet Menschen, Tiere und die Schöpfung  und gibt ihnen ihre verloren gegangene Bestimmung wieder zurück: nämlich von Gott geliebt zu sein, von Gott geschaffen und von Gott nie verloren gegeben.

 

Unsere Landeskirche hat sich deshalb im vergangenen Sommer zum Ziel gesetzt, nicht nur eine missionarische und gesellschaftsdiakonische und diakonische Kirche zu sein, sondern auch eine klimaneutrale Kirche zu werden. 6 von 10 der württembergischen Kirchengemeinden beziehen inzwischen regenerativen Strom, der nicht aus Atomanlagen oder Kohleverbrennung stammt [Stand 01/2011].

 

Es ist unserer Kirche nicht genug, das Evangelium nur als Quelle menschlichen Lebens zu sehen. Das Evangelium gilt dem ganzen Menschen und mit ihm auch der ganzen Schöpfung Gottes. Der Schöpfer selbst will sie und uns bewahren, heilen und erneuern. Und wen er zum Leben berufen hat, beruft er auch dazu, an seiner Seite daran mitzuwirken.
 
Wir alle, Sie und ich, sind von Jesus dazu berufen, das Evangelium der ganzen Schöpfung zu verkünden, ganz gleich ob hier im Schwarzwald
oder sonst wo in seinem Reich.

 

Was das für Sie persönlich bedeutet? Jesus lädt Sie dazu ein, sich gemeinsam mit ihm auf den Pfad des Lebens zu begeben. Dieser Weg ist ein schöner Weg, nicht nur, weil er Sie in die Gemeinschaft, sondern auch durch Gottes gute Schöpfung führt. Es ist ein Weg voller Hoffnung, Heilung und Erneuerung für Sie selbst, für Ihre Nächsten und für Ihre Umwelt: Gottes gute Schöpfung.

 

Ihr Klaus-Peter Lüdke