Reinhold Schmälze und Martha Serkin (in Neuweiler 1927-1938)

Pfarrfamile Schmälzle vor dem Neuweiler Pfarrhaus (ca. 1936). Quelle:

Reinhold Schmälzle wurde am 25. Juli 1901 in Korntal geboren. Er besuchte die Seminare in Maulbronn und Blaubeuren und studierte von 1919-1923 Evangelische Theologie in Tübingen als Stifler und 1921-1922 in Marburg. Nach seinem Studium arbeitete Schmälzle als Lehrer und Erzieher auf Föhr.
1924 ordiniert absolvierte er Vikariate in mehreren Gemeinden
1925 wurde er zunächst Vikar, dann Pfarrverweser in Schramberg.
Dort lernte er die Keramikerin Martha Serkin kennen.

 

Martha Serkin wurde am 5. Februar 1906 als siebtes von 8 Kindern des Opernsängers, Kantors und orthodoxen Juden Mordko (Max) und der Galanteriewarenhändlerin Auguste Serkin, geb. Schargel, in Eger geboren. Für die Ausbildung und ihres fünften Sohnes, der später weltbekannte Pianist Rudolf Serkin, zog die Familie nach Wien, wo Mordko während des ersten Weltkrieges Zeitweise auch als Schuhputzer und Schuster die Familie über Wasser halten musste.

Martha Serkin besuchte nach der Schulausbildung die Wiener Kunstgewerbeschule, und mit dem Meisterabschluss die Werkstattschule für Keramik. Als Meisterin fand sie Anstellung in der Majolika-Fabrik in Schramberg, wo sie Dekore entwarf.

 

Da eine Evangelischer Pfarrer keine dem Judentum angehörende Frau heiraten konnte, ließ sich Martha von einem befreundeten Pfarrer im Evangelischen Glauben unterweisen und in dessen Haushalt in die Geheimnisse eines schwäbischen Pfarrhaushaltes. Am 12. Juli 1928 ließ sie sich im heutigen Gäufelden-Öschelbronn taufen.

 

1927 zog Reinhold Schmälzle zunächst als Pfarrweser ins Neuweiler „Lamm“, da das Pfarrhaus renoviert werden musste. Im Dezember 1928 wurde er ständiger Pfarrer.

 

Nach der Genehmigung der Hochzeit durch den Oberkirchenrat heiraten Reinhold Schmälzle und Martha Serkin iim Februar 1929 Korntal. Bis 1934 wurden ihnen ein Junge und drei Mädchen geboren. Martha gründete einen Mädchenkreis und brachte sich mit ihrer künstlerischen Begabung in die Kirchengemeinde ein. So gestaltete sie etwa einen leider verlorengegangen Deckel für das Taufbecken in Gestalt eines Engels.

 

Schon 1932 berichtete Schmälzle in seinem Pfarrbericht, dass die Waldorte „fast völlig im Zeichen des Hakenkreuzes“ stünden. 1933 wurde es Beamten verboten, mit einer Person „nicht-arischer Abstammung“ verheiratet zu sein.

1934 wurde zum zweiten Mal versucht die Württembergische Landeskirche in die Reichskirche einzugliedern. Zusammen mit dem Calwer Stadtpfarrer Schüz feierte Schmälzle dagegen einen Bittgottesdienst in Agenbach. Schmälzle, der der KTA der Pfarrer im Kirchenbezirk vorstand, protestierte in einem von 16 Kollegen verfassten Brief gegen die daraufhin erfolgte Absetzung von Schüz. Nun wurde im OKR gegen Schmälzle wegen der Verletzung seiner Gehorsamspflicht ermittelt. Durch die Rehabilitierung des Landesbischofs Wurm nach seinem Empfang bei Hitler, wurden die anhängigen Verfahren in dieser Sache ad acta gelegt.

 

1935 unterbrach der anwesende SA-Sturm einen Traugottesdienst im innen wie außen mit Nationalflaggen geschmückten Agenbacher Schulhaus. Sturmführer Dürr trat vor den Hakenkreuzaltar und wetterte gegen Kirche und Pfarrer. Schmälzle hatte in seiner Evangelischen Traupredigt vom Führer „Jesus“ gepredigt. Der Oberkirchenrat stellte Strafanzeige gegen den SA-Führer – ohne erkennbare Folgen.

 

1935 wurden die Nürnberger Gesetze erlassen und es zeichnete sich ab das Martha und Reinhold Schmälzle in Gefahr waren. Landesbischof Wurm machte Schmälzle deutlich, dass die Pfarrfamilie nun nicht mehr „mit dem Schutz der Kirche rechnen könne“.

 

Ende 1936 ließ sich Schmälzle für ein halbes Jahr beurlauben, um in St. Andreä bei Villach (Kärnten) vorrübergehend an einer Bibelschule zu unterrichten. Seine Familie blieb im Neuweiler Pfarrhaus, während Schmälze im Gespräch mit Schweizer Freunden und Kollegen einen Rettungsanker außerhalb des Einflussgebietes des Nationalsozialismus suchte. Martha Schmälzle erkrankte und musste ins Krankenhaus.

 

Der aufrecht gebliebene Neuweiler Bürgermeister Schreinermeister Friedrich Hanselmann und der Kirchengemeinderat Neuweilers baten Schmälzle unterdessen, seinen Dienst in Neuweiler wieder aufzunehmen. Kurz darauf bekam Hanselmann den Druck der Partei zu spüren und musste Schmälzle vor der Partei warnen, die alles unternehmen werde, Schmälzles Rückkehr ins Amt zu vereiteln.

 

Da die Schulen in Agenbach und Neuweiler nun ganz vom Nationalsozialismus und „durch antichristlichen Einfluss“ geprägt wurden, und Schmälzle ein Unterrichtsverbot erlassen bekam, begann Schmälzle 1937 einen kirchlichen Unterricht in der Wohnung eines Kirchengemeinderates. Unterdessen wurde der Mädchenkreis von Frau Schmälzle im Pfarrhaus als  in einem „nicht-arischen Haus“ verboten. Nun wurde Pfarrer Schmälzle auch öffentlich verunglimpft.

 

Am 12. Dezember wurde Schmälzle als Theologe der Evangelischen Gesellschaft in St. Gallen berufen. Der Dienstantritt im April 1938 rettete den Schmälzles das Leben. Dort wurden ihnen eine weiter Tochter und ein weiterer Sohn geboren. Schmälzle leistete einen St. Gallen einen wertvollen Aubaudienst.

 

1945 wurde Schmälzle die Rückkehr nach Deutschland angeboten. Sie blieben aber auf Bitten der Evangelischen Gesellschaft in der Schweiz. 1953 besuchte die Familie erstmals seit der Flucht wieder Neuweiler und wurde herzlich aufgenommen.

 

1954 starb Martha Schmälzle eine Woche nach ihrer Silberhochzeit an Krebs. Kurz darauf fand Schmälzle in Basel eine neue Anstellung bei der Schweizerischen Judenmission in Basel. Er allerdings erkrankte schwer bis 1957.

 

1957 kam Reinhold Schmälzle zurück nach Württemberg, zunächst nach Leonberg-Etlingen-Silberberg, 1958 als Vikar in Stuttgart-Rohr, 1959 als Pfarrer in Poppenweiler bei Ludwigsburg (bis 1964).

Schmälzle heirate ein zweites Mal. Er starb am 14. März 1969.

 

Literatur: Siegfried Hermle. Eine Pfarrfamilie im Schatten des Arierparagraphen, BlfwürttKG 106 2006